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Graue Laternen, Brücken oder Parkuhren sind nicht unbedingt Gute-Laune-Booster. Bunt müssten sie sein, wie Grafittis. Doch mit einer Spraydose für eine farbenfrohe Optik zu sorgen ist verboten und auch irgendwie lahm. Viel cooler ist Urban Knitting, denn dabei tanzen die Stricknadeln und zaubern bunte Farbkleckse aus Wolle.
Der Begriff setzt sich aus „Urban“, was städtisch bedeutet, und „Knitting“ = stricken zusammen. Diese textile Streetart wurde 2005 von der Texanerin Magda Sayeg erfunden. Mit einigen Freundinnen zückte sie die Stricknadeln und verschönerte Parkuhren, Pfosten, Straßenschilder, Treppengeländer und vieles andere mehr mit bunten Strickmäntelchen, um dem tristen Grau der Großstadt den Kampf anzusagen.
Diese Kunstrichtung, auch als Guerilla Knitting oder Yarn Bombing bezeichnet, schwappte, wie fast alles, was cool ist, aus den USA zu uns und entwickelte sich zu einem echten Hype. Klar, man braucht ja nicht viel dazu: Nur Stricknadeln, kunterbunte Wolle und flinke Finger. So sind inzwischen schon in vielen Städten diese wolligen Straßenkunstwerke zu entdecken.
Sicher, das triste Stadtbild mit fröhlichen Farbklecksen zu verschönern, ist eine Motivation dahinter, aber die Woll-Kleidchen rund um verschiedene Industrie-Elemente strahlen auch Wärme und Geborgenheit aus. Die bunten Maschen sind somit ein sanfter Protest gegen unsere zunehmend industrialisierte und technologisierte Welt und sollen Passanten zum Nachdenken und Umdenken anregen. Manche Künstler:innen möchten mit dieser Kunst auch zeigen, dass das Stricken nicht (wie im traditionellen Rollenbild) eine rein weibliche Tätigkeit ist, die in den eigenen vier Wänden ausgeführt wird, denn beim Urban Knitting wird die Kunst im freien Raum und an öffentlichen Plätzen präsentiert.
Rechte Masche, linke Masche, eine fallenlassen und zack sind Regenrinnen, Ampeln, Zäune, Telefonhäuschen und Laternen kunterbunt und kuschelweich.
Wenn man es natürlich gaaaanz genau nimmt, dürfen Gegenstände im öffentlichen Raum nicht verändert oder beschädigt werden. Doch diese Graffiti-Form ist deutlich weniger aggressiv als die per Spraydose, denn die textilen Hüllen lassen sich schnell anbringen und ohne Schäden zu hinterlassen auch wieder entfernen. Somit wird fremdes Eigentum also nicht beschädigt, sondern nur überdeckt. Wer ganz sichergehen will, fragt am besten bei der Stadtverwaltung nach, ob solche Kunstwerke gern gesehen sind. Wer den Adrenalinkick sucht, rückt in einer Nacht- und Nebelaktion mit Stricknadeln und Wolle aus und riskiert, dass die Kunstwerke am nächsten Tag wieder entfernt werden.
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Also, wenn ich früher im Textilunterricht die Chance gehabt hätte, mit meinen Strickgebilden für so viel Aufmerksamkeit zu sorgen, hätte ich sicher viel lieber zur Stricknadel gegriffen. Ich finde diesen Trend richtig toll, weil die Kunstwerke gesehen werden und weil das Ganze ein bisschen rebellisch ist, dabei aber rundum gute Laune verbreitet und niemandem schadet.
(06.05.2022/DD)